Warburg (red). War die Wanderausstellung Toleranzräume um 15Uhr leise gestartet, klang anschließend am späten Nachmittag der Soundcheck der passenden Abendveranstaltung “Haltung zeigen” über den Marktplatz. Die beiden Musiker Aeham Ahmad aus Daseburg und Bandkollege Ahmed Rashid (Wolfhagen) lockten bereits mit einem beherzten Soundcheck Zuhörer auf den Marktplatz:

Welttag gegen Rassismus — bereits im dritten Jahr organisierte die Erd-Charta-Ideenwerkstatt eine Veranstaltung zu diesem Tag und erneut mit einem auf Partizipation zielenden Programm. In diesem Jahr maßgeblich mitorganisiert von Aeham Ahmad, sowie eingegliedert in das Wirken der reaktivierten Bürgerinitiative „Buntes Warburg“. Dem europaweit bekannten syrischstämmigen Pianisten Aeham Ahmad ist der Anlass ein besonderes Anliegen, “Aeham zögerte keine Sekunde, worüber wir sehr glücklich sind”, heißt es aus den Reihen der Erd-Charta-Ideenwerkstatt und die Veranstaltung habe durch Aehams Ideen tragend und wunderbar dazu gewonnen.

Zum Feierabend versammelten sich zwischen 18 und 19 Uhr rund einhundert Menschen am Eisenhoitbrunnen, um den vorbereiteten Musik- und Redebeiträgen beizuwohnen oder um aktiv einzusteigen und mitzumachen. Nach einem Stück syrischer Weltmusik wurde der gemeinsame Abend von der Warburgerin Valeria Geritzen eröffnet, die den Worten von Stand-Up-Comedian Tahsin Mirza (Bielefeld/ u.a. bekannt aus WDR Nightwash) ihre Stimme lieh. Der junge Iraker Mirza, der leider verhindert war, hatte eigens für Warburg ein Video vorbereitet und zusätzlich einen Text mit sehr klaren Formulierungen vorbereitet. So definierte Mirza Rassismus und dessen Folgen für die Betroffenen schonungslos und zielte auf ein entscheidendes Detail: “Rassismus erschwert Integration” und Integration sei eine beidseitige Angelegenheit, so Tahsin Mirza. Anschließend an diesen Vortrag wählte Geritzen, die als Botschafterin für die Erd-Charta aktiv ist, eindringliche Worte, um die Wichtigkeit einer inhaltlichen Veranstaltung wie dieser in der Mitte der Gesellschaft, “auf dem zentralen Platz der Stadt, offen für alle”, herauszustellen. Weiter formulierte Geritzen, das eigene Handeln im Kleinen sei immer auch als Teil des politischen Handelns im Großen zu betrachten und man müsse noch viel mehr Menschen in der Breite und außerhalb der informierten Bubble erreichen.

Es folgte ein Programm kürzerer und längerer Redebeiträge und Gedichte im Wechsel zu Musikstücken, eine Mischung, die das Publikum mit einer ganz eigenen Intensität sichtlich berührte. So trug Afshar Azizi, der aus dem Iran fliehen musste und seit zwei Jahren in Warburg lebt, seine Worte auf Deutsch vor, die er zuvor auf Farsi verfasst hatte. Der junge Kurde bezog sich unter anderem auf Metaphern seiner Kultur, und zitierte ein kurdisches Lied, in welchem es laut Azizi heißt, „das Licht in den Häusern der Reichen kann auch das Licht der Armen sein“. Afshar Azizi kam zu dem ganz persönlichen Schluss, dass das Licht im eigenen Garten auch den Garten des Nachbarn beleuchten könne. Anschließend wurde Azizis Vortrag sachlich, der junge Mann appellierte an einen politisch intellektuellen und ethischen Fortschritt, die Weiterentwicklung der Menschen dürfe sich nicht auf Technologien und Wirtschaft beschränken. Der Appell des Iraners zielte wortreich auf ein wertschätzendes und unterstützendes Miteinander ab. Seine Rede erhielt viel Applaus. Treffende Worte fand auch Marion Streich aus Bad Arolsen, die gleich zweimal ans Mikrofon trat, um ihre eigenen Gedichte zum Welttag gegen Rassismus vorzutragen. Streich sprach die Gewalt an Mitmenschen an, die als andersartig empfunden würden. Frieden für alle sei ihr Wunsch, eine Vision, die die Menschen klüger agieren und gerechter teilen ließe. Ihr hoffnungsvoller Vortrag erzeugte nach einem sehr persönlichen Beitrag der Ukrainerin Veronika Udaltsova einen Moment der Stille.

Ihren Bezug zum Rassismus auf der Welt zeigte die aus Charkiv vor Wladimir Putins Angriffskrieg geflüchtete Veronika Udaltsova in ihrem Vortrag auf. Udaltsova berichtete, wie sie, ihre Familie und Freunde, täglich schmerzhaft durchlebten, in welchem Ausmaß aus rassistischen Motiven heraus brutale Angriffe stattfänden. Sie ergänzte ihren emotionalen Beitrag mit einer Bitte um Spendengelder für Familien an der ukrainischen Frontlinie. Es sollen Ostergeschenke unter anderem mit Hilfe der Seniorenschaft aus dem Warburger Lindenhof zusammengestellt werden. Valeria Geritzen unterstrich, indem sie das Ziel bekanntgab, “wir wollen 100 Päckchen packen, je nach Spendensumme schaffen wir das”. Es konnten anschließend 600 Euro gesammelt werden. Ostern wird in der Ukraine am 5. Mai gefeiert, und es bleibt Veronika Udaltsova mit der Erd-Charta-Ideenwerkstatt für Einkauf, Vorbereitung der Päckchen und Schreiben von Karten noch genügend Zeit. “Wir freuen uns, dass von den Lindenhof Senioren sofort Interesse bekundet wurde, die Aktion zu unterstützen”, kommentiert ECI-Koordinatorin Geritzen.

Und das Singen? Schließlich hieß es in der Einladung zur Veranstaltung, Warburg singe für Demokratie und Vielfalt. Mit viel Schwung und einer erfrischenden Prise Humor brachte der Kasseler Musiker André Spandehra ein fein ausgewogenes Medley für Frieden. Spandehra animierte das Publikum zum Mitsingen, was besonders bei dem Friedenslied Hevenu Shalom Alechem beeindruckend gelang. Die Texte der ausgewählten Musikstücke wurden vorab von Maria Geritzen verteilt, so dass alle mitsingen konnten. An das freie Mikrofon wagte sich allerdings zunächst niemand, erst als die 9-jährige Neva Helg aus Warburg beherzt die kleine Bühne stürmte, versammelte sich ein spontaner Chor hinter dem Mädchen, um die „Ode an die Freude“, Melodie der Europahymne, anzustimmen. Am Ende verwandelte Neva Helg mit dem Chor die Zeile „Alle Menschen werden Brüder“ zu „Alle Menschen werden Geschwister“, was Pianist Aeham Ahmad bemerkte und lachend mit einem „Daumen hoch“ quittierte. 

Bevor Aeham Ahmad mit seiner so besonders berührenden Musik den Abend mit einigen Stücken beendete, schloss Valeria Geritzen den inhaltlichen Teil der Veranstaltung mit einer ernsthaften Abschlussrede. Geritzen regte an, sich die Frage zu stellen, wie weit faschistisches Denken bereits in der Gesellschaft angekommen sei. Sie richtete ihren Wunsch a die Anwesenden, in alltäglichen Situationen Haltung für Demokratie und Vielfalt zu beziehen und bedankte sich gerührt bei allen Mitwirkenden und Teilnehmenden. Kathrin Helg von der Bürgerinitiative Buntes Warburg fasste anschließend reflektierend zusammen. “Der wetterbedingten Kälte und dem unschönen Anlass Rassismus wurde an diesem Abend auf dem Marktplatz mit wohltuender Wärme im Herzen, feurigen Beiträgen und anheizender Musik begegnet”, es sei etwas passiert, findet Helg, an diesem Abend sei etwas entstanden, “das kann jeder für sich als Erfolg wahrnehmen und zugleich als kleinen Arbeitsauftrag mit nach Hause nehmen”.